Mallorca: auf den Spuren des sanften Tourismus

Mehrtägige Studienfahrten eröffnen im Leistungskurs neue Horizonte

Dem sanften Tourismus auf der Spur

Der Fernwanderweg 221 war der Ausgangspunkt unserer Spurensuche. Hier oberhalb des Klosters Lluc am Puig Galilei.

Die drei Schwerpunkte der Arbeit waren 1. das Informieren über die (objektive) Geographie des Nahraums, 2. das Beobachten und Dokumentieren von Erscheinungen des (sanften) Tourismus und 3. das Erkunden der Region und die Reflexion der eigenen Rolle

Mallorca ist das Symbol für billigen Massentourismus in Europa. Mehr als 9 Mio. Menschen besuchen die Insel Jahr für Jahr. Vielerorts ist die Tragfähigkeit des Raumes überschritten, v.a. die ökologischen Folgen sind immens.

Die Forderung, dem Massentourismus müssten Grenzen gesetzt werden, wird in den letzten Jahren immer lauter. Ein Ansatzpunkt könnte dabei der Wandertourismus in der Tramuntana. Denn beim Wandertourismus werden - zumindest auf den ersten Blick - die Kriterien des sanften Tourismus (weitgehender Verzicht auf Technik, Nutzung lokaler Ressourcen, Natur- und Kulturorientierung, persönlicher Kontakt zu Einheimischen) erfüllt und die negativen Folgen des Massentourismus vermieden. Aus diesen Betrachtungen ergeben sich u.a. die beiden Fragen, ob Wandertourismus
tatsächlich so sanft ist, wie man es annehmen könnte und wie groß das Potenzial dieser sehr speziellen Form des Fremdenverkehrs überhaupt ist.

Konzeptuelle Umsetzung

Ziel der Studienfahrt war es, SchülerInnen die Möglichkeit zu geben, Tourismus aus mehreren Perspektiven zu betrachten, zu untersuchen und zu beurteilen. Dabei sollte sowohl der Weg der Erkenntnisgewinnung, wie auch das Produkt so frei wie möglich sein. Ein Schwerpunkt der Organisation war es deshalb, eine Vielzahl an Lernsituationen zu ermöglichen, die in Art, Anzahl und Tiefe individuell genutzt werden konnten. So standen allen SchülerInnen eine Vielzahl an Kartenvorlagen, Messgeräten und Informationssystemen, Fachliteratur, Arbeitsmethoden und Erkundungsmöglichkeiten zur Verfügung, die zur individuellen Beantwortung der Fragestellungen eingesetzt werden konnten.

Konkret standen zur Verfügung:

  • A1-Bögen und Marker
  • zahlreiche großmaßstäbige Kopien von Wanderkarten und des Plänen Klostergeländes
  • Temperatur- und Feuchtelogger, Schallpegelmessgerät, Höhenmesser, Laptop, QGIS, Smartphones mit diversen Apps zum Geotracking
  • geographische Fachliteratur Mallorca
  • 5 Wanderungen unterschiedlicher Länge und Schwierigkeit, die z.T. in Art und Länge variiert werden konnten und Ausflüge in touristische Ballungszentren Port de Pollenca und Alcudia.

Ausgangspunkt der Spurensuche war das Kloster Lluc, gelegen im Tramuntana-Gebirge am Fernwanderweg 221 auf halber Strecke zwischen Sollér und Pollenca. Hier treffen Natur (v.a. Steineichenwälder und Berge/Karst), Kultur (Museum, berühmter Kinderchor), Religion (Basilika, monastisches Leben), Wandertourismus und internationalier Tourismus (1 Mio. Besucher jährlich) aufeinander, was zahlreiche Entdeckungen, Erfahrungen, Begegnungen und Gegensätze ermöglicht.


Was sind die Ergebnisse?

Einig waren sich die Schülerinnen und Schüler in der Abschlussdiskussion in wenigen Punkten, in einem aber ganz sicher: Sanfte Touristen waren wir wohl eher nicht! Zwar hätten wir die Kriterien des sanften Tourismus erfüllt: „wir haben nur öffentliche Verkehrsmittel benutzt, hatten keinen erhöhten Wasserverbrauch, haben uns mit Natur und Kultur beschäftigt und ein bereits seit vielen Jahrhunderten bestehendes Gebäude als Unterkunft genutzt“, aber allein unsere Anreise mit dem Flugzeug und die damit verbundene schlechte Ökobilanz mache jede ernsthafte Verwendung des Begriffes „sanft“ hinfällig. Ein Schüler schreibt: „[…] es spielt CO2-technisch nicht so die große Rolle, ob man eine Woche durch die Tramuntana wandert oder 7 Nächte hintereinander am Ballermann feiert,
denn über 75% des CO2-Ausstoßes eines Touristen auf Mallorca werden durch den Flug verursacht […]“. Dennoch wären wir im lokalen Maßstab sanfter gewesen als viele andere Touristen, auch wenn das Kloster Lluc als Ort des sanften Tourismus z.T. angezweifelt wurde: „Jedoch muss man sagen, dass das Kloster Lluc nicht unbedingt als Vorbild des sanften Tourismus gesehen werden sollte, da es aufgrund seiner tatsächlich sehr hohen Besucherzahl von ca. 1 Mio. / Jahr eindeutig Züge des Massentourismus aufweist“ und „das Kloster Lluc kann dem Aspekt von Ruhe durch den Massenandrang nicht mehr gerecht werden“.

Während der Studienfahrt entstanden zahlreiche Karten und Kartenskizzen, zu unterschiedlichen Beobachtungen und Untersuchungen (Mitte: Kartierung von Branchen und Standards von Geschäften in Port de Pollenca) und abschließend individuelle Beurteilungen.

Ein Schüler zählte zu unterschiedlichen Tageszeiten die Touristen im Klosterhof (Spitze: 89) und es kam die Frage auf, wie voll es dort in der Hauptsaison sein mag. Die zahlreichen Parkplätze, mit mehr als eintausend Stellplätzen ließen das Ergebnis erahnen. Das Potenzial des Wandertourismus schätzten die Teilnehmer überwiegend gering ein, obwohl „gut ausgebaute und ausgeschilderte

Wanderwege“ vorgefunden wurden, „die Befragung einiger Personen [ergab, dass] die Erholung im sanften Tourismus stärker, und für Kinder die bessere Form des Tourismus sei, weil die Kinder mehr Kontakt zu Kultur haben und gleichzeitig einen gewissen Freiraum haben“ und zahlreiche interessante Zeugnisse früherer Nutzungsformen (Weiler) und geomorphologischer Prozesse entlang der Wanderwege gefunden wurden. Ökonomisch gesehen habe der sanfte Tourismus, verglichen mit den Einnahmen aus dem Massentourismus kaum Bedeutung, auch sei er „weniger rentabel, weil Wandertouristen eher wandern als in Luxusrestaurants ihr Geld auszugeben“. Auch wirkten sich Saisonalität und lokale Einschränkungen, z.B. „dass einige [Wanderwege] nur an bestimmten Wochentagen begehbar sind [und] manche sogar Mautgebühren für Wanderer beinhalten“ zum Teil „abschreckend“. Überhaupt sei der „Wandertourismus in der Tamuntana nur etwas für eine Randgruppe, die bereit ist, ihre Lebensverhältnisse runterzuschrauben“. Das führe zwar einerseits zu „Ruhe und leeren Wanderwegen“ andererseits gebe es auch nur „wenige, auf Profit ausgelegte Restaurants und Supermärkte“ mit hohen Preisen, was zu punktellen Belastungen führe, „mit manchmal sogar unherzlicher Stimmung“ was „den sanften Tourismus wieder einschränkt“. Dennoch kam man in der Diskussion zu dem Schluss, dass „uns Butler Stagnation zeigt“ mit den Entwicklungspfaden „Erneuerung oder Verfall“. „Der Weg des sanften Tourismus muss genommen werden“. Dabei ergebe sich jedoch der Konflikt, dass für eine Weiterentwicklung des Wandertourismus die Ansprüche vieler Akteure berücksichtigt werden müssten, so dürften „Preise nicht steigen, damit auch junge Leute die Möglichkeit haben, sanft zu reisen“, neue Hütten sollten die Tagesetappen verkürzen, um auch Familien mit kleinen Kindern und „Älteren“ die Bewältigung des GR-221 zu ermöglichen und die Bedürfnisse der Natur müssten berücksichtigt werden, denn auch hier bestehe die „Gefahr der Naturzerstörung im kleinen Ausmaß durch Müllverschmutzung und das Verlassen der vorgesehenen Wanderrouten“. Ein Ansatz zur Lösung des Dilemmas könne die Sanierung der vorgefundenen Bauruinen und leerstehenden Gebäude sein, dadurch könne die Infrastruktur verbessert werden, mehr Touristen beherbergt, ohne jedoch zusätzliche Fläche zu verbrauchen. Das Prinzip der Entwicklung müsse jedoch das Prinzip der
Nachhaltigkeit sein.

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