„Wir ham keine Zeit mehr!“

von Dorfpolizisten, Heißer Zitrone und anderen bösen Geistern


„Wohin fährst du eigentlich?“- Seit bekannt ist, wie warm es in Griechenland, Israel oder Italien in der nächsten Woche so sein wird, hören wir immer wieder diese ironische Frage. „Ja verdammt. England. Ja, wir werden wandern. Und ja, wir müssen selber kochen!“, antworten wir dann und steigern uns etwas hinein in unser „Dilemma“. Dabei haben wir uns selbst für die Fahrt nach Yorkshire entschieden… Wie auch immer, ändern können wir sowieso nichts mehr. Es heißt also: abwarten, wie schrecklich die Kursfahrt wirklich wird.

Der Samstag, an dem wir losfliegen, fängt schon mal gut an. Halb sieben morgens am Flughafen Tegel sammeln wir uns um Herrn Stockhausen und Frau Ninow. 21 Leute sind wir insgesamt- es kann losgehen. Von Tegel geht unser Flug nach London. Doch dort angekommen, haben wir unser Ziel noch lange nicht erreicht. Die wirkliche Reise steht uns noch bevor. Vom Flughafen müssen wir erst mal nach King‘s Cross. Die Londoner Underground mit Koffern und Handgepäck zu überwinden, ist das erste Kunststück. Von King‘s Cross geht es erst mal weiter nach York, wo wir dann in den Zug nach Scarborough umsteigen. In Scarborough machen wir uns auf zu Sainsbury’s. Der Supermarkt ist etwa vergleichbar mit Kaufland, er ist bloß noch größer. Es sind drei Gruppen, die jeweils einkaufen, zusammengesetzt aus denen, die immer gemeinsam in einem Haus schlafen. Doch was braucht man überhaupt alles, wenn man für insgesamt 21 Personen für eine Woche einkauft? Milch, Eier, Brot… da fangen die Probleme an. Denn Milch ist nicht gleich Milch und Brot gibt es in England schon mal gar nicht. Also Toast. Ach, nein, was ist das denn? „German style bread“- sieht aus wie unser Schwarzbrot und kommt aus… Holland! Nunja, es sieht wenigstens nicht aus wie Toast, also rein in den Wagen! So geht es weiter, durch alle Reihen des Supermarkts durch, in denen übrigens keine Ordnung herrscht. Milch findet sich in drei verschiedenen Regalen wieder und nicht etwa alles auf einem Fleck, ebenso Müsli, Marmelade und Nudeln. Doch auch dieses Problem meistern wir und stehen schließlich völlig fertig mit mehreren Einkaufswägen an der Kasse. 7 Wagen, um genau zu sein. Es wartet ein Bus auf uns, leider jedoch nicht direkt vor dem Supermarkt. Nachdem wir also die Wagen den Berg hochgeschoben haben, geht das Umladen der Tüten in den Bus los. Und als wäre das noch nicht genug Anstrengung gewesen, erwartet uns in Robin Hood‘s Bay, so heißt der Ort, in dem sich unsere Ferienhäuser befinden, noch ein Berg. Den müssen wir zwar „nur“ runter laufen, jedoch gestaltet sich das mit Koffern und Einkaufstüten schwierig. Aber wir sind da, endlich in Robin Hood‘s Bay, am Ziel. Die Häuser, in denen wir wohnen, sind total schön, sehr nah am Wasser und die Zimmer strahlen eine urige Gemütlichkeit aus. Und der Blick aus dem Fenster aufs Meer… uns wird klar- so schlimm wie wir dachten ist England im Herbst gar nicht, die Steilküste zieht unsere Blicke auf sich und lässt uns so schnell nicht wieder los- es ist wunderschön hier!

But Robin Hood’s Bay is not only beautiful. It has an extremely interesting history as well. Walking down the road to the beach, one passes a pub which is called “smugglers”. And that’s what Robin Hood’s Bay’s history is about. The village had been a smuggler’s village and some places still remind the visitor of that criminal past. We are reminded as well. Standing at the beach, listening to Anna who is telling us something about the village, we see a tunnel, which seems to have its end (or its beginning?) right at the beginning of the water during high tide. Anna explains that the smugglers used that way to get their stuff up into the town without using the road. She also tells us that every house has its secret drawer because there had not only been a few smugglers in the town, but nearly everyone was involved in those criminal activities. We are even more excited about the place we are staying at now and are content with the place we will stay at for the next week. Later in the afternoon, we meet at the house where Mrs. Ninow stays with 5 girls of our group. We have a typical English Tea Time and Ivelina and Lena tell us something about the English tea culture. Now we know that it makes a difference if you put in milk first or tea and that you must take the water from the kettle immediately after it has finished cooking- so there is no time to take the kettle to the pot, but you have to take the pot to the kettle… The English and their rules…

Wirklich ärgern tun uns die Regeln der Engländer abends. In Robin Hood‘s Bay gibt es viele Pubs- doch in keinen davon durften wir gehen, denn: Nach 20 Uhr muss man schon 18 oder älter sein, um sich in England in einem Pub aufhalten zu dürfen. Herr Stockhausen ist nicht zu überreden, obwohl sein Hauptargument, der Dorfpolizist würde den Pub schließen lassen, wenn er mitbekommt, dass der Betreiber Minderjährige dort nach 20 Uhr herumsitzen lässt, eher weniger zufriedenstellend ist. Doch da ist nichts zu machen- die Englische Pub-Kultur bleibt uns also die Woche über vorenthalten. Doch wir lassen uns unsere Laune nicht verderben! Am Montag geht es los auf die erste große Wanderung nach Whitby. Auf dem Weg erzählen sowohl Janine und Benny als auch Jule und Janina etwas über die Landschaft, in der wir uns befinden- die Steilküste Yorkshires. Janine füttert alle Tiere, die sie auf den Weiden entdecken kann und einige von uns wollen „Wandern, und nicht spazieren!“ und preschen in entsprechendem Tempo vor. Wirklich erwähnenswert ist auf jeden Fall das Wetter: Strahlender Sonnenschein im Herbst in England- mit Jacke ist es zu warm- was für ein Gefühl! In Whitby angekommen, halten Zübeyde und Cansin noch ihr Referat über Dracula, denn Whitby diente dem Autor als große Inspiration für das Buch. Dann haben wir endlich Freizeit. In Whitby gibt es, wie auch in Robin Hood‘s Bay, unzählige Süßigkeitenläden, die wir natürlich alle erkunden müssen! Als die Freizeit nach etwa zwei Stunden viel zu schnell schon wieder rum ist, sammeln wir uns alle unten am Wasser. Niemand darf zu spät kommen, denn sonst verpassen wir den Bus nach Hause, heißt es erst. Doch von wegen, als wir ankommen, steht ein neuer Programmpunkt auf der Tagesordnung: Einkaufen! Den Bus müssen wir natürlich auch noch bekommen, deshalb heißt es: Beeilung! Und vor allem: „Wir ham keine Zeit mehr!“ Von diesen Worten gehetzt, kaufen wir also so schnell es geht ein, versuchen an alles zu denken und begeben uns schnell wieder zur Sammelstelle. Da sitzen wir nun. Eine Minute, zwei Minuten, und der Bus kommt einfach nicht. Verwundert fragen wir nach, schließlich hatten wir ja partout „keine Zeit mehr“! Nein nein, heißt es, keine Panik, der Bus kommt in 40 Minuten. Ein ungläubiger Blick und Kopfschütteln unsererseits.. warum genau sollten wir uns noch mal beeilen? „Wir ham keine Zeit mehr“ wird von nun an zum Running Gag und wir schaffen es doch noch mal nach Hause.

Whoever maybe had thought that the hiking tour to Whitby had been exhausting, did not expect our tour on Tuesday. We have a guided tour across the moors now and some of us are really excited because we read “Wuthering Heights” one year ago and are still wondering, how the landscape the author describes, precisely the moors, really looks like. The weather could be better, but with our hiking shoes and raincoats we are perfectly prepared for our tour through the dangerous moors. Well, at least we thought they were dangerous. To our great disappointment, the tourist guides tell us that one actually cannot die in the moors around the area. No chance to sink in and never get out again… At least the landscape looks really beautiful with the heather, some trees and even some animals we get to see. The tour lasts around 6 hours. Back in Robin Hood’s Bay we have dinner- and again, Mr. Stockhausen needs one special thing for his meal… KETCHUP! Also a running gag, he does not find half as funny as we do. Neither is he a fan of incense sticks- Jule has to turn hers out because they are too dangerous- indeed, they could burn down the whole house! At last they are as dangerous as it is to listen to music in public… anyway, at last Tuesday evening was great. After getting warmed up with “Heiße Zitrone”, we had a lot of fun!

Wednesday promises to become a good day- we go to Whitby again, this time by bus and here we wait at the train station for a special train.. the Hogwarts Express! A pity the train does not really bring us into the Harry Potter Fantasy World, but at least we really take the train the people in the movie take! And we even leave the train at the same station they do- the only difference is that the station is not called “Hogsmeade” as it is in the book but “Goathland”. Julia and Steffi tell us something about the small village, before we start our hiking tour- along the train rails back to the next station. Before we finally arrive at the train station, Mr. Stockhausen and Mrs. Ninow invite us into a café. Some of us try scones with clotted cream- definitely worth a try - the rest is only drinking a tea or a coffee. After that refreshment we listen to other presentations, one from Martin and the other one from Nina and Sarah. Now it is time for “Wir ham keine Zeit mehr” again- we leave the café and wait for the train at the station. Back in Whitby we realize that there are some things we still have to buy- so one group goes shopping for the last time and takes the next bus back to Robin Hood’s Bay.

Donnerstag geht es dann nach York, was wir bisher nur vom Umsteigen auf dem Hinweg kennen. Eine kurze Stadtführung von Emilia und Lina erklärt uns das Interessanteste über York, bevor wir unerwarteter Weise richtig viel Freizeit bekommen. Genug Zeit auf jeden Fall, um in unzählige Läden zu schauen, Straßenmusikern zuzuhören und essen zu gehen- auch wenn das eine oder andere Restaurant sehr gruselig erscheint, nachdem das Schild von „open“ zu „closed“ gedreht wird, unmittelbar nachdem wir uns hingesetzt haben… doch auch diesen Horror überstehen wir und kommen (fast) pünktlich am späten Nachmittag am Bahnhof an, von wo aus uns der Bus zurück nach Hause, das ist Robin Hood’s Bay mittlerweile geworden, bringt.

Freitag ist auf einmal schon der letzte Tag. Wie schnell die Woche jetzt doch vergangen ist! All die bösen Streit-Geister, die sich nur entfalten konnten, weil die Räucherstäbchen verboten wurden, verfliegen langsam und nachdem einige am Klavier gesungen haben, geht es noch mal raus in die Kälte- am Strand halte ich das letzte Referat der Tour, über Englische Sportarten die, um es kurz zu fassen, eigentlich alle sind wie Brennball.

Der Abschied rückt jetzt immer näher, wir räumen auf, putzen, was wir im Laufe der Woche so verschmutzt haben und wir packen unsere Koffer. Relativ früh gehen wir alle ins Bett, denn für Samstag heißt es: 3 Uhr morgens aufstehen, halb 4 gibt es Frühstück! Wider Erwarten war dieses letze Frühstück zumindest in unserem Haus das beste, was wir in der ganzen Woche hatten. Eine durch völlige Übermüdung hervorgerufene gute Laune hat uns begleitet, sogar später auf dem anstrengenden Weg mit den Koffern den Berg hoch zum Bus. Doch der Bus war noch gar nicht da. Wir HATTEN ZEIT, tatsächlich noch mal Zeit, um den Sternenhimmel über der Küste zu bewundern. Schließlich konnten wir doch abfahren. In Scarborough kamen wir so früh an, dass der Bahnhof noch nicht mal aufhatte. Also hieß es wieder: warten. Und es war kalt! Doch auch das überstehen wir. Diesmal fahren wir nicht nach London, sondern über York nach Birmingham. Da hatten wir natürlich mal wieder „keine Zeit mehr!“, oh, oder etwa doch ein, zwei Stunden? Mit Verspätung fliegen wir in Birmingham los und verpassen trotz unseres Sprints durch den gesamten Flughafen in Frankfurt unseren Anschlussflieger nach Berlin. Wir sind gestresst, aber auch etwas belustigt. Die ganze Kursfahrt war immer perfekt durchgeplant, schließlich sind wir mit Herrn Stockhausen und Frau Ninow unterwegs (!) und jetzt ist doch noch etwas schief gelaufen. Ein einziges Mal hatten wir wirklich „keine Zeit mehr“- und da sitzen wir nun: Mit von Lufthansa spendiertem Kaffee und duty free Einkäufen in Frankfurt- aber wir müssen nur eine Stunde warten. In Berlin gelandet, sind wir leider immer noch nicht angekommen, denn einige von uns können ihren Koffer auf dem Kofferband einfach nicht finden! Und als hätten wir nicht schon genug Stress gehabt, tauchen diese Koffer auch tatsächlich nicht mehr auf. Also ab zur Flughafen-Servicestelle. Nach ewigem Hin und Her können wir die letzten Koffer aus einem Container am anderen Ende des Flughafens abholen- völlig fertig verabschieden wir uns voneinander. Eine anstrengende, aber wunderschöne Woche ist vorbei.

Hannah Schade

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